Der Spagat zwischen Freiheit, Familie und Verantwortung

Irgendwie redet nie wirklich jemand darüber. Wie es einen als Erwachsener zerreißt, wenn man versucht, alles irgendwie unter einen Hut zu bekommen: Familie, Karriere, Haushalt, Partnerschaft, Sozialleben, die eigenen Interessen und Bedürfnisse. Und wie unterschiedlich sich dieses Dilemma manifestiert zwischen Männern und Frauen.

Frauen bekommen immer noch suggeriert, sie müssten alles schaffen, obwohl die Ansprüche und die Erwartungshaltungen (meist die eigenen) viel zu hoch und der Tag für uns alle einfach nur 24 Stunden hat. Eine Frau soll irgendwie alles sein: Mutter, Hausfrau, Geliebte, Partnerin, Freundin, Karrierefrau, … und kann daran eigentlich nur scheitern. Oder aber in irgendwelchen Bereichen zurückstecken. Zumeist verfällt sie in den Trugschluss, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse ja erst einmal auf Eis legen kann. Solange die Kinder noch klein sind, solange das Haus noch abzubezahlen ist, solange bis…sie irgendwann umkippt. Im Burnout landet, im Beziehungsende, in der Auflösung ihrer eigenen Identität, weil sie sich irgendwann gar nicht mehr erinnert, wer sie war, vor dem allen.

Männer hingegen sind auf den ersten Blick gesellschaftlich „freier“: Für sie ist es immer noch anerkannt, dass sie sich hauptsächlich um ihre Karriere und die finanzielle Absicherung kümmern und am Wochenende vielleicht um den Rasenmäher. Dass allerdings immer mehr Väter mehr von ihren Kindern miterleben wollen als für wenige Minuten übermüdet am Abend , dass auch sie das Gefühl haben, sie würden nur mehr funktionieren in dem ewig steigenden Druck finanzieller Verpflichtungen und dem eigenen Ego, es doch „zu etwas bringen zu müssen“, das wird gerne übersehen.  Dass das Männerbild in den letzten Jahrzehnten immer verwirrender geworden ist, hilft dabei auch nicht wirklich. Was ist denn nun dieser „echte Mann“ genau? Auch Männer wollen tiefe Beziehungen, Verbindung und Zeit und Raum, um sich zu erfahren – ganz besonders mit ihren Lieben.

Die Lösungen, die uns die Politik suggeriert, sind zunehmend unzufriedenstellend für immer mehr Familien: Immer frühere Fremdbetreuung, ein Auseinanderreißen des Familiensystems um wirtschaftlich funktionieren zu können als wären wir programmierbare Roboter, Ausbau der Ganztagsschulen, damit möglichst alle möglichst viel Zeit getrennt voneinander verbringen. Manchmal beschleicht mich der Verdacht, dass diese Entfremdung im gesellschaftlichen Kern Familie System hat. Nicht zufällig gab es in allen faschistischen, diktatorischen Organisationsstrukturen das Bestreben, Kinder frühestmöglich von ihren Familien zu trennen. Ein Mensch, der in seinem Bedürfnis nach Geborgenheit nicht sicher verbunden, gebonded, ist, ist leicht manipulierbar. Ersatzbefriedigung findet so ein Mensch in Konsum oder Betäubung durch Suchtverhalten. Er wird ein ewig Suchender, der niemals ankommen kann. Böse Zungen würden eventuell behaupten, dass kann kein Zufall sein!?

Wir alle laufen in immer größerem Tempo mit heraushängender Zunge der Karotte hinterdrein, immer im Glauben, dass es besser wird, wenn wir nur „höher, schneller, weiter“ oder „besser organisiert, schöner, schlanker“ wären. Wir schaffen das!

Dabei laufen wir am Leben selbst vorbei. Wir sehen die Blumen am Wegrand nicht einmal mehr, wir versäumen die kleinen Wunder im Hier und Jetzt, die sich nur in der Stille offenbaren, dem Innehalten, dem „ganz da sein“, präsent.

Wir sind wie die hetzenden, gestressten, grauen Männer, die Momo mit der Schildkröte Cassiopeia nicht mehr sehen können, weil die sich so langsam rückwärts bewegen, dass sie unsichtbar werden. Könnte das ein Sinnbild für all unsere Kinder sein?

Kann es sein, dass alles, was unsere Kinder jemals von uns wollten und brauchten, Verbindung, Zeit, Präsenz ist? Was leben wir ihnen vor für ihr glückliches, erfülltes Leben?

Was würde passieren, wenn wir einfach stehenblieben? Wenn wir uns bewusst machen, dass wir rein gar nichts wirklich MÜSSEN? Wenn wir SIND, anstelle zu TUN? Wenn wir erkennen, dass das Leben ein großes Nullsummenspiel ist, bei dem wir an rein gar nichts festhalten können? Wenn wir uns einmal radikal ehrlich fragen würden, was wir wirklich, wirklich wollen? Und was davon wir im Hier und Jetzt verwirklichen können? Was wir wahrhaftig brauchen, um glücklich zu sein – um das Glück überhaupt spüren zu können? Was uns im Weg steht, zurück hält, unsere Träume zu leben, ganz wir selbst zu sein. Sind das wirklich die Anderen? Sind die Geschichten, die uns Andere erzählt haben und die wir uns selbst meist unreflektiert ewig weiter erzählen, wirklich wahr? Wer schreibt denn die Geschichten, wer schreibt deine?

Ich höre sie schon, all die Stimmen, die jetzt entsetzt aufschreien und die Gründe raus schreien, wieso das alles nicht geht, weil…Natürlich, du, ich, wir alle haben immer die Wahl, welche Ausreden wir gelten lassen. Jeder kann es sich in seiner Opferrolle bequem machen und den Anderen die Schuld geben. Sicherheit, Verantwortlichkeiten, Verpflichtungen dazu nutzen, nicht ins Tun zu kommen. Unserer lieben Freundin, der Angst, die Führung überlassen. Oder sich bewusst machen, dass wir immer schon Schöpfer waren, mit jeder einzelnen Entscheidung unsere Realität erschaffen, jede Sekunde neu. Das, was du dir jetzt gerade erzählst, ist morgen deine Wirklichkeit – und wie soll die aussehen? Bist du bereit, Verantwortung zu übernehmen und deine Selbstbestimmung zu leben? Warte entweder für immer auf den perfekten Moment. Oder: Spring, und der Schirm öffnet sich.

Was sind deine Lösungsansätze, deine Visionen, deine Träume und wann und womit machst du den ersten Schritt? Ich freu mich auf DEINE Geschichte. <3

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About the Author: Karin

Elternbegleiterin, Künstlerin, Autorin, Speakerin, Netzwerkerin, Mutter und Liebende. Seit bald zwei Jahrzehnten Beschäftigung mit selbstbestimmter Bildung und Persönlichkeitsentwicklung.
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