Kennst du diese Aussage: „Ein Ja zu dir ist immer ein Nein zu jemand anderem.“? Als ich das vor einigen Jahren das erste Mal gelesen habe, war das wie eine Offenbarung für mich. Ich darf zu mir, meinen Gefühlen, meinen Grenzen und meinen eigenen Vorstellungen stehen. Aber ich bin nun mal eine Frau, bin oft in Versuchung es allen recht machen zu wollen und sehne mich auch nach Harmonie, will niemandem „auf die Zehen treten“. Oft braucht es gerade im familiären Setting einfach auch Kompromisse, damit es „für alle passt“. Wie kann man da also die Balance halten zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen der Anderen?
Klarheit, kommt da gleich wie aus der Pistole als vermeintliche Antwort geschossen – und ja, klar, das wäre wünschenswert. Das Problem dabei ist bloß, dass wir uns selbst nicht mehr wirklich spüren können, in einer Spirale aus Erwartungshaltungen, Überforderung und Alltagsmühle gefangen sind. Dass wir gefordert sind zu „funktionieren“, auch und besonders auf die eigenen Kosten. Wenn ich also nun meine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund schiebe, um den scheinbaren Frieden aufrecht zu erhalten, dann verliere ich mich und weiß irgendwann nicht mehr, was ich eigentlich will – und wer ich wirklich bin.
Denn um das heraus zu finden, braucht es vor allem eines: Stille. Einsamkeit. Erdung.

Alles Dinge, die es im hektischen Familientreiben so gut wie nicht gibt. Aber weißt du was? Das wird uns auch niemand GEBEN, weil wir uns das aktiv NEHMEN müssen, um es zu bekommen. Das ist dasselbe Phänomen wie mit der Zeit. Die nehme ich mir ja auch (bewusst oder unbewusst) für die Dinge, die mir wichtig sind. Und nun kommts: Was, wenn DU DIR SELBST am wichtigsten bist?
Darfst du das? Ist das egoistisch? Tut ein guter, verantwortungsvoller Elternteil denn so was?

Ich sag dir, ja. Es wird dir früher oder später nichts Anderes übrig bleiben, als dich und deine Bedürfnisse zur Priorität zu machen, weil du sonst untergehst, weil du dich nicht selbst am Heiligen Gral Familie opfern kannst. Und sei mal ehrlich: Wer hat dann da was davon, wenn du wegbrichst? Genau, niemand!
Fang also an. Klein. Babyschritte. Fünf Minuten alleine duschen. Zehn Minuten mit deinem Lieblingsgetränk. Eine halbe Stunde für dich alleine mit einem guten Buch auf der Couch. Was auch immer dir gut tut, schreib eine Liste. Mach eine Sammlung an Dingen, die dich nähren, die dir helfen dabei, dich zu stärken. Schreib alles auf, auch scheinbar Unerreichbares – erlaube dir wieder zu träumen. Es gibts nichts Lächerliches, kein zu wenig oder zu groß – und wer außer dir wird dich denn verurteilen für deine Liste? Hol dir Unterstützung, nimm Hilfe dankbar an und lass die Dinge weg, die nicht wirklich notwendig und wichtig sind. Erlaube dir auch, deine eigenen Ansprüche in Frage zu stellen. Schieb es nicht mehr auf, frag dich: Was kann ich im Hier und Jetzt machen, was ist JETZT möglich? Und dann tu es. Finde keine Ausreden mehr.

Und vergiss auch dabei den Leistungsgedanken. Wenn du Ruhe und Erholung brauchst, dann strebe kein 90-minütiges Workout an, sondern erlaube dir das scheinbare Nichtstun. Du kannst sowieso nie wirklich nichts tun. Aber erinnere dich daran, dass du deine besten Ideen immer beim Rumlümmeln oder entspannt beim Autofahren hattest (mir geht es jedenfalls so).
Ein guter Anfang dafür läuft in meinen Augen bestimmt über deinen Körper. Beweg ihn, spür ihn, hege und pflege ihn. Lerne dich sprichwörtlich wieder spüren, in dem du deinen „Container“ spürst. Geh raus, stecke deine Füße oder Hände in die Erde, nimm dich als Teil eines großen Ganzen wahr, erlebe das Wunder Natur als Teil von dir.

Und übe. Jeden Tag. Einmal funktioniert dein Plan, einmal nicht. Auch Scheitern gibt es nur in deinem Kopf. Lass es zu und lerne Spaß daran zu haben, die Welle zu reiten, in dem du sie gleichzeitig bist. Bleib flexibel, werde kreativ, lade die Anderen ein, Teil zu sein und integriere scheinbare Gegensätze. Vielleicht kannst du deine Laufrunde auch mit deinem Kind am Fahrrad schaffen?Ich bin fest überzeugt davon, dass du überrascht sein wirst, wie einfach es in Wahrheit sein wird, dir deinen Raum zu nehmen, wie sehr deine Lieben kooperieren werden, wie erstaunt du sein wirst, dass sie dich gerne unterstützen darin, du selbst zu sein. Denn sie lieben dich und wollen nur das Beste für dich, genau wie umgekehrt. Und ein Mensch, der authentisch Seines lebt und gut auf sich achtet, ist anziehend und interessant für alle Beteiligten.

Und wenn nicht? Ganz besonders dann ist es wichtig, DEINES zu leben, weil deine Liebsten nur dann auch IHRES leben werden, weil du auch da ihr Vorbild, ihr „role model“ bist und das eine deiner Hauptverantwortungen als Elternteil ist. Und ist es nicht das, was du ihnen vorleben möchtest und wofür du alles machst, damit es möglich wird?
Ihr werdet Wege finden, wie ihr euch finden könnt, auf diesem Weg. Weil ihr alle das wollt, weil genau das Familie ausmacht, einmal mehr und einmal weniger „geschmeidig“, aber immer: MITANANDA – mit Freude gemeinsam. <3

2 Kommentare

  1. Wolfgang Mähr 29. April 2024 at 8:30 - Reply

    Liebe Karin, vielen lieben Dank für diese Impulse, Einblicke, Möglichkeiten.
    Es ist nie zu spät um zu Beginnen 🌟

  2. Marry 30. April 2024 at 16:32 - Reply

    Wunderschöne und ehrliche Worte ♥️
    Danke

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About the Author: Karin

Elternbegleiterin, Künstlerin, Autorin, Speakerin, Netzwerkerin, Mutter und Liebende. Seit bald zwei Jahrzehnten Beschäftigung mit selbstbestimmter Bildung und Persönlichkeitsentwicklung.
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