Das Thema (Eigen-)Verantwortung ist ein spannungsgeladenes, aber durchwegs reizvolles Feld. Hier ein kleines Gedankenexperiment in Form von (teilweise eventuell auch unangenehmen) Fragen. Ich möchte dich einladen, ein wenig mit den Fragen zu spielen, dich einzulassen auf dieses in meinen Augen so essentielle Thema und gerne dazu in den Austausch zu gehen.
“Erwachsen zu sein bedeutet, die volle Verantwortung für mein Leben zu übernehmen – mit allen Konsequenzen und in allen Bereichen. Ich entscheide, was, wann, wo und wie ich Dinge in meinem Leben handhabe.”
Kannst du der Definition zustimmen?
Das heißt in weiterer Folge dann natürlich auch, dass es niemanden mehr gibt, der “schuld” ist an irgendetwas, außer ich selbst.
Stimmt das in deiner Lebensrealität für dich?
Lass uns gemeinsam genauer hinschauen:
Wo erwarte ich von Anderen, dass sie meine Verantwortung für mich tragen?
Wo gebe ich Verantwortung ab – und was bringt mich dazu?
Was geschieht in mir, wenn ich aufhöre, mich als Opfer zu sehen: Meiner Kindheit, meiner Beziehungen, der Machthaber, des (Bildungs-, Gesundheits-, Geld-) Systems, meiner Vorgesetzten?
Was tut es mit mir, wenn ich niemandem mehr – bewusst oder unbewusst – die “Schuld” und damit die Macht für mein Leben und meine Befindlichkeit in die Schuhe schieben kann?
Gibt es dir ein Gefühl von Freiheit und Selbstwirksamkeit oder fühlst du dich bedroht und überfordert?
Wie reagiere ich, wenn ich mich als Meister(in) meines eigenen Daseins wahrnehme?
Bin ich bereit, diese Eigenverantwortung wahrhaftig zu übernehmen und auch zu leben?
Wo sind für mich die Grenzen meiner Eigenverantwortung – und wie weit bin ich bereit, für die Wahrung dieser zu gehen?
Wie sieht es mit der Eigenverantwortung meines Partners und meiner Kinder aus, für die ich ebenfalls zumindest teilweise verantwortlich bin?
Bin ich egoistisch und handle entgegen sozialen Normen der Gesellschaft, wenn ich meine Eigenverantwortung in letzter Konsequenz lebe?
Was tut der Begriff “Schuld” überhaupt mit mir – in welchem Kontext ist er mir bisher begegnet?
Wie weit bin ich – gerade wenn ich in meiner Eigenverantwortung bin – gerufen, mich für soziale Ungerechtigkeit, den Schutz von anderem Leben, der Umwelt usw. zu engagieren, und WARUM eigentlich?
Ich gebe dir hier sehr bewusst keine Antworten auf meine Fragen, denn ich möchte dir nichts vorkauen. Ich bin überzeugt davon, dass wir alle unsere sehr individuellen, nicht unbedingt zu wertenden Antworten, gemischt mit sozial, ethisch und aus der persönlichen Geschichte heraus geprägten Abwandlungen, in uns tragen.
Trotzdem bin ich neugierig: Wie sehen deine Antworten darauf aus – hast du Lust, sie mit
mir und uns zu teilen?
Addendum: Mein Text bezieht sich ausschließlich auf einen Erwachsenen. Ein Kind ist NIE in diesem Umfang und/oder alleine verantwortlich für sein gesamtes Leben und seine Umstände – das ist UNSERE Aufgabe und die Magie der Kindheit, das eben nicht zu sein.