Das kleine Wort „dürfen“ kommt so unscheinbar daher und hat es meiner Meinung ganz schön in sich. In regulären Erziehungsmodellen wird es gerne von Kindern verwendet, um eine Erlaubnis einzuholen bzw. umgekehrt von uns Erwachsenen, um etwas zu gestatten oder eben zu verbieten. Es ist für mich ein Indikator des Machtgefüges in einer nicht gleichberechtigten Gruppe. In unserer Familie gibt es seit vielen Jahren keine Notwendigkeit mehr dafür, „dürfen“ in diesem Kontext zu verwenden. Wenn die Kinder etwas wollen, dann kommunizieren sie das. Wenn ich nicht verstehe, was ihre Beweggründe dafür sind, dann frage ich nach. Wenn ich denke, dass das, was sie wollen, gerade nicht möglich ist oder triftige Gründe dagegen sprechen, dann bringe ich das zum Ausdruck und erkläre mein Warum. Oft kommen wir darüber in einen regen Austausch, besonders, wenn die Meinungen auseinander gehen. Sie lernen ihren Standpunkt darzulegen, ihre Bedürfnisse zu kommunizieren und zu argumentieren.
Ich übe, immer mehr meine eigenen Grenzen zu wahren und in meine Klarheit zu kommen. Je besser mir dies gelingt, desto weniger oft übrigens braucht es überhaupt noch mein „Nein“. Dieser Switch auf eine grundlegend positive Ausrichtung, eine „Ja-Kultur“ tut nicht nur mir gut. Einmal akzeptieren sie meine Argumente, einmal sehe ich ihre Seite und lasse mich davon überzeugen. Ab und an frage ich sie, ob sie vielleicht meine persönliche Meinung dazu wissen wollen oder was ich in dem speziellen Fall tun würde. Weil ich einfach mehr Lebenserfahrung habe, nicht, weil meine Ansichten mehr wert sind. Ich akzeptiere ihr Nein, falls sie das in dem Moment nicht hören wollen. Genau so, wie sie mein „Nein“ leicht akzeptieren können, in den wenigen Fällen, wo es einfach nicht anders geht. Dadurch, dass sie in ihren Bedürfnissen gehört und gesehen werden, können sie das ganz leicht auch mit meinen Bedürfnissen tun. Dadurch werden die in einem sozialen Gefüge notwendigen Kompromisse kein Machtgerangel, sondern ergeben sich im gemeinsamen Prozess mitananda. Einmal lasse ich mich auf einen guten Kompromiss ein, einmal die Kinder. Fast immer werden für mich auf den ersten Blick nicht ersichtliche kreative Lösungen gefunden, damit alle gut damit leben können. In allen diesen Situationen schafft diese Kommunikation auf Augenhöhe aber Verbindung zwischen mir und den jungen Menschen, anstatt uns zu trennen. In einem solchen Szenario braucht es keinen mehr, der etwas erlauben muss und kann oder jemanden, der Bittsteller ist. Und nein, dabei verliere ich weder meine Autorität als Erwachsener, noch tanzen sie mir dann auf der Nase herum. Weil Beziehung niemals eine Einbahnstraße ist, sondern gelebte Empathie – wahres soziales Lernen in einem sicheren, geborgenen Umfeld als Übungsfeld für die große Welt da draußen.